Der Weg zur Geschichte

Die lange Tradition der Glasindustrie wird im Gnarrenburger Glasmuseum dokumentiert, welches sein neues Domizil (früher in Augustendorf) im alten Vogeler-Bahnhof in Gnarrenburg gefunden hat. Hier werden Exponate gezeigt, sowie Gerätschaften, die zeigen wie Glas früher hergestellt wurde, Produkte aus mehr als 150 Jahren Glasproduktion in Gnarrenburg und Dokumente aus den verschiedenen Glashütten.

Der alte Gnarrenburger Bahnhof im Originalzustand, nach dem Entwurf des Worpsweder Universalkünstlers Heinrich Vogeler und der heutige Eingangsbereich.

Wir haben heute das Glück, dass wenn wir mit der Geschichte verständnisvoll umgehen – Alles verstehen können.

  • 1750

    Fahrenhütte

    Die älteste Glashütte der Region war die Fahrenhütte, gegründet 1750. Sie produzierte im 18. Jahrhundert etwa 20 Jahre lang vor allem Genever- Flaschen für den holländischen Markt. Die Ware wurde über den Ochsenweg bis Amsterdam transportiert. Von der Hütte oder einzelnen Gebäuden ist nichts erhalten geblieben .Aber noch heute finden sich in Fahrendorf, nach dem Umpflügen landwirtschaftlicher Flächen Flaschenreste auf dem Acker. Viele dieser Funde wurden uns im Glasmuseum zur Ausstellung zur Verfügung gestellt.

  • 1769

    Bau des Oste-Hamme-Kanals

    In den Jahren 1769-1790 erfolgte der Bau des Oste-Hamme-Kanals. Für die Entwicklung der Glasindustrie und insbesondere das Transportwesen war die Anbindung des Oste-Hamme-Kanals ein entscheidender Meilenstein.

  • 1846

    Marienhütte

    1846 gründeten Bremervörder Bürger die Marienhütte (benannt nach der Enkelin des unterstützenden Königs von Hannover und England, Georg der V.). Man setzte auf Torf als Brennstoff und Sand aus den Moorseen als Basis einer Glasproduktion. Beides war ein Trugschluss, aber die Hütte war zunächst trotzdem erfolgreich. Erste Produkte waren Glasscheiben und einfache Hohlgläser. Mit Herrmann Lamprecht und insbesondere seiner Entwicklung des Tropfenzählers (1882) wurde das Sortiment auf Medizingefäße jeder Art ausgeweitet und konnte weltweit verkauft werden. Durch kluge Patentschutzpolitik kam der unternehmerische Erfolg sowie die finanziellen Voraussetzungen für die dritte Ausbaustufe. Nun wurden auch gewerbliche Gläser jeder Art (von der Maggiflasche bis hin zu Bierflaschen und Einweckgläsern) im großen Stil gefertigt.

    Patentschrift des Tropfenzählers von 1885:

     Patentschrift des Tropfenzählers von 1885

  • Zwei zugekaufte weitere Glaushütten, in Breitenstein (Harz) und Immenhausen (Kassel) beteiligten sich an der Produktion. Mit dem Tod von Herrmann Lambrecht im Jahr 1909 war der Höhepunkt der Marienhütte überschritten. In den Folgejahren war neben dem Direktor Christian Zoerb vor allem August Meyer über viele Jahre mit der Gesamtverantwortung der Marienhütte betreut. 1976 mussten die Pforten geschlossen werden.

    Modell der Marienhütte (Foto: Helmut Kück)

  • 1857

    Carlshütte

    Karlshöfener Bauern gründeten Mitte des 18. Jahrhunderts (1857) die Carlshütte, als Konkurrenz der Marienhütte. Die Nachwirkungen des 1. Weltkriges führten dazu, dass die Produktion 1915 eingestellt werden musste. Produziert wurde überwiegend Tafelglas. In den Jahren 1921-1926 erfolgte als Aktiengesellschaft ein erneuter unternehmerischer Versuch. Am selben Standort, mit neuen Gesellschaftern nahm der nun unter „Hansahütte“ firmierende Betrieb seine Arbeit auf.

    Die Carlshütte Anfang des 20. Jahrhunderts…

    und die erweiterte Fabrik der Hansahütte in den 1920er Jahren mit verlängertem Schornstein, zusätzlichen Fertigungshallen und neuen Verwaltungsgebäuden.(Heutiger Standort der Brilliant AG)

  • 1907:

    Baubeginn der Kleinbahnstrecke

    Der Bau der Kleinbahnstrecke Bremervörde-Gnarrenburg-Osterholz hatte das Ende der zuvor genutzten Transportverfahren über Moorkanäle und unbefestigte Wege eingeleitet.

  • 1911:

    Marienhütte

    Eine Aufnahme der Marienhütte aus Sicht der angebundenen Kleinbahnstrecke in der ersten Zeit nach Hermann Lamprecht.

  • 1927

    Aus dem Zusammenbruch der Hansahütte 1927 erwarb der Gnarrenburger Müller Wilhelm Gulau die Glasscheiben aus dem Lagerbestand, um daraus die bald sehr erfolgreichen Gulau – Glasdachpfannen zu formen, die in Nordeuropa sehr gut verkauft wurden. Der Standort der Gulauhütte lag am Gnarrenburger Ortseingang, an der Hindenburgstraße 2. Nach dem 2. Weltkrieg brannte die Gulau-Glashütte zum Teil ab. Ein weiteres bedeutsames Ereignis war der mysteriöse und bis heute ungeklärte „Gulau-Mord“ auf dem Gelände der Glashütte.

    Ansicht der Gulauglashütte Ende der 40er Jahre.
    (Heutiger Standort REWE)

  • 1951

    Brillantglashütte

    An diesem Standort in Gnarrenburg entwickelten sich ab 1951 die Vorläufer der heute noch existierenden Brilliant AG. Gegründet als Brillantglashütte Lippold und Tschammer OHG. Kurt Lippold brachte Wissen und Erfahrung aus der Glasherstellung mit nach Gnarrenburg & Otto Tschammer brachte seine Kenntnisse aus der Glasveredelung ein. So kam schließlich das erste Leuchtenglas-Sortiment auf den Markt.

    Nachdem Otto Tschammer das Unternehmen 1957 verließ, gründete er am Ort und in den ehemaligen Hallen der Hansahütte (vorher Carlshütte) sein eigenes Unternehmen (Ultravit), welches bis Ende der 1960er Jahre, als Teil der Gnarrenburger Glasindustrie aktiv war.

    Als Nachfolger von Otto Tschammer stieg Günther Naumann zu Königsbrück in den Gnarrenburger betrieb ein, welcher fortan als Brillantglashütte Lippold & Naumann KG firmierte.

    Nach dem altersbedingten Ausscheiden Günther Naumanns und des Tods Kurt Lippolds übernahm 1964 sein Sohn Wolf-Dieter Lippold den Gnarrenburger Betrieb und führte umfangreiche Modernisierungen durch. Der Produktionsschwerpunkt verlagerte sich zunehmend weg von der Glasherstellung zur Leuchtenproduktion.

    Mit dem Erwerb der ehemaligen Betriebsanlagen am Karlshöfenerberg Anfang der 1970er Jahre, an dem sowohl die Carlshütte, die Hansahütte und schließlich das Unternehmen (Ultravit-Glas) Otto Tschammers aktiv waren, wurde das Kapitel der Glasindustrie endgültig beendet.

    Aus Brillantglas wurde Brillantleuchten und am neuen Standort am Karlshöfenerberg wurde ein neues Kapitel der Gnarrenburger Industriegeschichte begonnen. Das Unternehmerehepaar Wolf-Dieter und Barbara Lippold legte den Grundstein für die rasch expandierende Leuchtenproduktion und brachte in den 80er Jahren, mit dem mittlerweile unter Brillantleuchten AG firmierenden Unternehmen, die ehemalige Glashütte an die Börse. Es folgten weitere Meilensteine einer langjährigen Erfolgsgeschichte, die aus dem Familienunternehmen für einige Jahre einen „Globalplayer“ im Bereich der Wohnraumbeleuchtung machte…

    Die Brillantglashütte mit Belegschaft Anfang der 1950er Jahre…

    …und eine Luftaufnahme des Erweiterungsbaus in den 1960er Jahren
    (Heutiger Standort der MELATEK GmbH)