Drei Glashütten am selben Ort
Carlshütte, Hansahütte & Ultravit
Im Gegensatz zur Marienhütte, von der noch eine Ruine am Ortsrand Gnarrenburgs zu finden ist, lässt sich am heutigen Standort der Brilliant AG nichts mehr von den ehemaligen Hüttengebäuden entdecken.
Schon 1857 wurde am Standort Karlshöfenerberg eine Glashütte gegründet, welche sich bereits schnell zum ernsthaften Mitbewerber der Marienhütte entwickelte. Die „Carlshütte“ schloss nach rund 70 Jahren ihre Türen. Unter dem Namen „Hansahütte“ erfolgte nach dem ersten Weltkrieg ein weiterer Versuch als neu gegründete Aktiengesellschaft. Schließlich war es Otto Tschammer (Mitgründer der Brillantglashütte), der in den 1960er Jahren einen letzten Versuch unternahm mit seinem Unternehmen Ultravit-Glas am historischen Standort Glas zu produzieren.
Im Bereich Geschichte erfahren Sie mehr zur Chronologie der gesamten Gnarrenburger Glasindustrie. In diesem Beitrag legen wir den Fokus erstmals auf historische Aufnahmen des Betriebsgeländes. Neben den originalen Schwarz/Weiß Aufnahmen der drei Glashütten zeigen wir Ihnen zusätzliche Farbvarianten, die durch nachträgliche, digitale Kolorierung erstmals in dieser Form zu sehen sind. Mit dieser Gegenüberstellung wollen wir eine neue Perspektive auf diesen Teil der Geschichte werfen. Eine Entwicklung die über 100 Jahre die wirtschaftliche Entwicklung des Ortes mit geprägt hat. Gerne berichten wir Ihnen persönlich bei einer Museumsführung im Glasmuseum über die zahlreichen Veränderungen an diesem historischen Wirtschaftsstandort.
Die Carlshütte aus zwei Perspektiven:
Die Hansahütte samt Erweiterungsbauten:
ULTRAVIT Glas GmbH
Die umfangreichsten Aufnahmen liegen uns aus den 1960er Jahren vor. Aufgenommen von Otto Tschammer ergibt sich ein umfangreiches Bild der alten Glashütte am Standort Karlshöfenerberg. Zufahrten, Anbindung an die Kleinbahnstrecke, Verwaltungsgebäude und Werkshallen sind zu sehen:
Karlshöfenerberg – Fragen die tragen
Ergänzend zu unserem Blick auf die drei Glashütten am selben Ort fällt ein wiederkehrendes Muster auf: Immer wieder waren es Kapitalgesellschaften, die hier wirkten – nie einzelne Menschen. Schon die Carlshütte wurde 1857 als Aktiengesellschaft gegründet. Das Grundkapital war in 100 Aktien zerlegt – ein deutliches Zeichen dafür, dass von Beginn an nicht eine einzelne Persönlichkeit, sondern eine breitere Eigentümerstruktur im Vordergrund stand. Auch die Hansahütte war später eine Kapitalgesellschaft, getragen von Namen, die in den Registern auftauchen, im Gedächtnis aber nicht haften bleiben.
Die Qualität der Glasprodukte war zur Blütezeit der Carlshütte zunächst über jeden Zweifel erhaben. Doch dieser hohe Anspruch konnte nicht dauerhaft gehalten werden – wirtschaftliche Zwänge, Kostendruck und wechselnde Eigentümer führten bald zu Einbußen.
Es fehlte die persönliche Verantwortung. Die Kapitalgesellschafter trugen kein Risiko außer ihrem Einsatzkapital. Und so sind es nicht die Direktoren oder Prokuristen, die erinnert werden, sondern nur nüchterne Registereinträge. Die eigentlichen Träger des Werkes, die Glasmacher, verschwinden gänzlich. Keine Mitarbeiterfotos, keine Gruppenbilder, kaum Aufzeichnungen. Uns bleibt heute nur der allgemeine Hinweis: „Die Glasmacher waren ein Wandervolk. Sie gingen dorthin, wo gerade Arbeit und Geld zu verdienen war.“
Man könnte meinen, es sei in dunklen Zeiten stets Licht versprochen worden – Arbeitsplätze, Fortschritt, Gewinn. Doch hinter dem Schein verbarg sich etwas anderes: diese Strukturen saugten auch Lebenskraft. Sie banden Kräfte, verschlangen Existenzen, hinterließen Leere, sobald die Kapitalgesellschaften zerfielen.
Ein besonders aufschlussreicher Moment war, als der Mitbegründer einer gnarrenburger Glashütte den Ort verließ – um bereits kurze Zeit später mit seiner neuen Glasfirma zurückzukehren. Er übernahm ausgerechnet das Gelände der alten Carlshütte/Hansahütte und begann dort mit viel Energie und Motivation noch einmal von vorn. Diesmal aber als direkter Konkurrent zu seiner, zuvor mit gegründeten Glashütte in Gnarrenburg. Ein Kreis, der sich schloss – und zugleich deutlich machte, wie wenig hier die Leidenschaft für das Glas zählte, wie sehr dagegen wirtschaftliche Strategien und Machtspiele den Takt vorgaben.
Und doch stellt sich eine andere Frage:
Wer waren die Menschen, die dort arbeiteten? Warum haben sie diesen Ort gewählt? War es die Möglichkeit, ein Handwerk zu erlernen, Erfahrung zu sammeln? Ging es nur um Lohn und Brot für die Familie? Oder wollten sie hier, in der Region, sesshaft werden? Wir wissen es nicht.
Wussten diese Menschen, für wen sie arbeiteten – für den Hüttenmeister, den Direktor, die Aktionäre? Oder für die Hütte selbst, die größer war als jeder Einzelne?
Heute erscheint uns ihre Geschichte fern. Doch sie berührt eine zeitlose Wahrheit: Arbeit war damals vor allem Notwendigkeit. Sinnfragen, Überzeugungen, Identität spielten kaum eine Rolle. Und die Entscheider wussten das für sich zu nutzen.
Hinter jedem Glaszylinder, hinter jeder Scheibe steckt nicht nur Technik, sondern auch das unsichtbare Gewicht dieser namenlosen Existenzen.